Dolce far niente in Santa Margherita Ligure – 14.04.2023

Dolce far niente in Santa Margherita Ligure – 14.04.2023

Heute gönnten wir uns nochmal einen Tag mit Bummeln und Rumgucken. Unser Ziel war Santa Margherita Ligure. Ein wirklich sehr malerisch Ort – gelegen zwischen Moneglia und Genova und mit Bahnhof.

Wir fuhren mit dem Zug. Was wir nicht wussten, war, dass heute bei der Trenitalia gestreikt wurde. Nun, das kommt in Italien ja vielleicht doch schon mal häufiger vor. Und mal gewinnt man als Betroffener, mal verliert man. Letzte Woche Samstag auf dem Weg aus den Abruzzen an die Riviera-Küste gehörten wir definitiv zu den Gewinnern. Denn 3/4 der 500 km fuhren wir über die kostenpflichtige Autobahn. Als wir in Deiva Marina die Autobahn verließen, hatten wir uns schon auf einen saftigen Betrag an Mautgebühr eingestellt und zahlten – nichts! Die Mitarbeiter der Mautbetreiberfirma streikten offenbar am Samstag. Und selbst das automatische Bezahlen war außer Betrieb – und die Schranken sowieso hoch. Das nahmen wir natürlich dankend an und sparten dadurch – wir haben es mal ausgerechnet – 35,80 Euro.

Heute gehörten wir auch nicht wirklich zu den Verlierern. Wir mussten halt nur etwas mehr Zeit mitbringen für die Bahnfahrt, weil sich Züge entweder verspäteten oder halt ausfielen. Das war aber weder auf der Hin- noch auf der Rückfahrt ein größeres Problem. Und die Preise der italienischen Bahn sind ein Traum. Wir zahlten für eine einfache Fahrt 4,30 Euro pro Person. In den italienischen Zügen wird der Gast über alles Mögliche informiert. Ob das Klo gerade frei oder besetzt ist, wie das Wetter am nächsten Bahnhof ist und natürlich fehlt auch nicht der englische Dank an die Fahrgäste: Thank you for travelling with Trenitalia. Das hat mir natürlich besonders gut gefallen. Aber dankenswerterweise gibt es das nur zu lesen und niemand sagt es.

Heute war herrlichstes Frühlingswetter. Bei einem solchen Wetter ist Santa Margherita Ligure ein wunderbares Ziel. Es gehört ja zu den eher mondänen Orten an der Riviera-Küste und ist Teil der Landzunge, auf der auch Portofino liegt. Viele Stars und Sternchen sind hier schon gewesen, viele davon in den heute noch existierenden Luxushotels der Belle Epoque. Unübersehbar thront das riesige Areal des „Imperiale Palace Hotel“ über dem schmucken Zentrum von Santa Margherita Ligure. Dem Geschichtsbeflissenen sei gesagt, dass in diesem Hotel 1922 der Vertrag von Rapallo unterzeichnet wurde. Ob es damals schon so teuer war wie heute? Eine Nacht dort kostet laut Internet über 500 Euro.

Darüber werden sich die Schönen und Reichen, die nach Santa Margherita Ligure oder nach Portofino kommen, bestimmt die allerwenigsten Gedanken machen. Es gibt tolle, sehr geschmackvolle Geschäfte in Santa Margherita Ligure. Da gibt es gar kein Vertun – es ist alles auf eine anspruchsvolle Klientel ausgelegt. Das ist eine Wohltat für die Augen und das ästhetische Empfinden – vor allem in Kombination mit den gepflegten Hausfassaden. Mein Lieblingsgeschäft war das Feinkostgeschäft Seghezzo.

Sie haben wirklich alles, was das Feinschmeckerherz begehrt, nehmen es aber auch von den Lebendigen. Johni liebt Lakritz. Aber 30 Euro/kg ist schon eine Ansage, bei der man dann doch wieder auf andere Bezugsquellen zurückgreift. Obwohl mir gar nicht so bewusst war, dass die Italienier offenbar generell ein Faible für Lakritz haben. In jedem Supermarkt kann man Lakritz-Artikel kaufen. Einige davon erstanden wir und probierten sie während der 14 Tage oft während der Autofahrten schon aus.

Natürlich wartet Santa Margherita mit vielen Luxusmarken auf – besonders im Modebereich. Schicke Schühchen – oft ein Hauch von nichts – und Handtaschen sind selbstverständlich ebenfalls im Angebot. Und der Liebhaber von frischer Fischküche wird ebenfalls nicht enttäuscht.

Es ist schon gut sein in Santa Margherita Ligure. Das Ambiente passt auf jeden Fall.

Für diejenigen, die den Luxus auf dem Wasser lieben, bietet Santa Margherita Ligure im Yachthafen den Anblick unfassbar großer Yachten. Lustig fand ich, dass es offenbar zum guten Ton gehört, die Straßenschuhe auszuziehen, bevor man die Yacht betritt und eine Fußmatte liegt auf dem Kai vor dem Boot.

Es ist aber auch Platz für Fischerboote und Reiher.

Prachtvoll ging es auch schon früher in Santa Maria Ligure zu. Ein sehr eindrucksvolles Beispiel ist die Villa Durazzo über dem Zentrum des Ortes mit wunderschönen alten Bäumen – vor allem Palmen. Ein tolles Refugium, von dem aus man auch schöne Blicke auf die Bucht hat. Blickfang war für uns auch das Becken mit den Wasserschildkröten, die sich in merkwürdigen Formationen dem Sonnenbad hingaben.

In einem alten Friedhof säumten Arkadengänge und Grabstätten mit beeindruckenden Skulpturen die Wege.

Alles das begegnete uns beim Bummel durch die Altstadt und am Hafen entlang. Natürlich genossen wir auch Eis, Focaccia, Panino & Co.

Das Abschlussessen hoben wir uns aber für Moneglia auf – mit Muscheln, Sardinen, Limonensorbet, Tiramisu, einem Gläschen Vermentino und einem Grappa auf Kosten des Hauses.

Morgen heißt es Abschied nehmen. Den Blick aufs Meer, die vorbeiziehenden Schiffe und das Rauschen des Meeres direkt vor der Haustür werde ich schon vermissen.

 

Ein Fünftel Cinque Terre – 13.04.2023

Ein Fünftel Cinque Terre – 13.04.2023

Ein Besuch in Vernazza, dem drittgrößten oder -kleinsten der fünf Cinque-Terre-Orte, war gestern deshalb gescheitert, weil wir uns zwar durchs Nebelgekurve bis zu einem Parkplatz durchgekämpft hatten, der aber noch so weit vom eigentlichen Zentrum entfernt war, dass wir beschlossen, das mal wacker sein zu lassen. Denn der Parkplatz lag oberhalb (!) des Ortes. Hinzu kam gestern, dass es ausgerechnet da auch noch anfing, zu regnen. Also streckten wir nach gefühlten zwei Minuten das Parkticket mit der handschriftlich eingetragenen Uhrzeit dem Parkplatzbetreiber mit den obligatorischen 2,50 Euro für eine angefangene Stunde wieder entgegen. Die Annahme des Geldes lehnte er aber kategorisch ab.

Letztendlich war das auch gut so, denn in Manarola hatten wir es richtig gut getroffen (s. Beitrag vom 12.04.2023). Gleichwohl waren wir neugierig auf Vernazza, weil es – zumindest in unserem Reiseführer – als der schönste Ort der Cinque Terre angepriesen wird. Weil wir um die Parkplatzverhältnisse wussten, wählten wir heute die Bahn. Die Bahnstrecke zwischen Sestri Levante und La Spezia fährt alle fünf Cinque-Terre-Orte an. Wir stiegen in Moneglia zu. Während der Wartezeit auf den Zug redete auf uns, wie bereits auf andere Grüppchen, die warteten, eine junge Frau auf Italienisch ein – ohne Punkt und Komma und ohne sich darum zu kümmern, ob wir auch nur ein Wort verstehen. Sie war nicht ganz bei sich, und das Gute war, dass sie es einem auch nicht übelnahm, wenn man sich von ihr wegdrehte und wegging. Dann redete sie halt einfach auf jemand anderen ein.

Wir sahen dann aber doch zu, dass wir nicht in den Waggon einstiegen, den sie für sich wählte. Eine Offenbarung war die halbstündige Fahrt bis nach Vernazza aber wahrlich nicht. Man kann sie getrost als Tunnel-Hopping bezeichnen, denn das Tageslicht bekommt man nur in den jeweiligen Bahnhöfen zu sehen.

In Vernazza war ich zuerst richtig geschockt. Das 750-Seelen-Örtchen ist eigentlich wirklich wunderschön, aber es herrschte ein dermaßen großes Touristengedränge, dass es kaum zu ertragen war. In Vernazza kommt man den Massen überhaupt nicht aus – selbst dann nicht, wenn man sich in die besonders engen Gassen verdrückt. Durch die verlaufen nämlich die Wanderwege, die die Cinque-Terre-Orte verbinden. Das Teilstück zwischen Vernazza und Monterosso gilt als eines der beliebtesten. Wer Vernazza anschauen will, landet also – vom Bahnhof aus – auf der Via Roma. Der Strom trägt einen runter bis zum Hafenbecken. Dort ist dann Schluss. Unmengen an Gruppen – Reisegruppen, Schulklassen, Familien in jeglicher Zusammensetzung – „stranden“ dort, erklimmen die Felsen und Wellenbrecher. Letzteres war heute gar keine gute Idee, denn die See war unglaublich stürmisch. Einer Gruppe kanadischer Jugendlicher, die laut ihrer Shirts auf „European Tour 2023“ war, wäre ihr Leichtsinn beinahe zum richtig schlimmen Verhängnis geworden. Eine Riesenwelle erfasste einige von ihnen, zog ihnen die Füße weg. Sie hatten Glück, nicht mit ins Meer gezogen zu werden. Ein Mädchen war von Kopf bis Fuß tropfnass und hatte sich auch Schürfwunden zugezogen. Aber trotz dieser Unmengen an Leuten erkannte ich eine junge französische Familie wieder, die ich gestern Abend beim Essen in Manarola beobachtet und die zur gleichen Zeit wie wir den Weg zum Parkplatz angetreten hatten.

So richtig begeistern konnten wir uns für Vernazza nicht. Das Naturschauspiel der sich brechenden Wellen war toll, die kleine romanische Kirche St. Margherita di Antiochia sehr schön, zum Hochkraxeln im Ort hatten wir heute keine Lust und so unterbrachen wir unseren zweimaligen Gang durch den Ort mit einem längeren Aufenthalt in einer Bar, um Trofie pesto (Trofie-Nudeln mit Basilikumpesto-Sauce) zu essen und zum Abschluss einen Sciacchetrà zu trinken – den Dessertwein, der in den Cinque Terre hergestellt wird. Er schmeckt wirklich sehr gut, aber noch kann ich mich nicht dazu überwinden, für eine 0,5-Liter-Flasche um die 40 Euro auszugeben. Vielleicht wenn mich morgen der Urlaubs-Abschieds-Blues überkommen sollte …

Hier unsere Eindrücke von Vernazza:

Mein Fazit für die Cinque Terre:

Wenn es möglich ist, erst am späten Nachmittag dort anzukommen und in den Abend rein zu bleiben, dann sind die Orte wirklich schön. Ansonsten ist es nur zu empfehlen, das Weite zu suchen.

Zwei Fünftel Cinque Terre – 12.04.2023

Zwei Fünftel Cinque Terre – 12.04.2023

Die Cinque Terre – die fünf an der Riviera di Levante liegenden malerischen Dörfer, die sich von der Küste in den Steilhang hochziehen und den Charme alter Fischer- und Bauernorte versprühen … Ja, so stellt man es sich gerne vor. Allein die Realität ist eine andere. Zumindest hinterließ unser Besuch in zwei der fünf Orte – wir besuchten heute Monterosso di Mare und Manarola – einen sehr gemischten Eindruck.

Nun machen wir unsere Reise ja zu einem Zeitpunkt im Jahr, der noch meilenweit von Touristenströmen wie in der Hauptsaison entfernt ist. Doch ganz ehrlich, in der Hauptsaison möchte ich nie die Cinque Terre erleben.

Nach Monterosso und Manarola fuhren wir heute mit dem Auto. Das soll man ja eigentlich nicht machen. Das war aber in diesen beiden Orten zumindest gestern bei anfänglich noch sehr durchwachsenem Wetter noch gar nicht mal das Problem. Wir bekamen in beiden Orten ohne Suchen einen der für Touristen ausgewiesenen Parkplätze. Teuer sind die natürlich mit 2,50 Euro pro Stunde schon.

Wesentlich spannender war das Erreichen der Orte. Wir entschieden uns für die kurvige, hochgelegene und zum Teil wirklich sehr enge Küstenstraße, auf der man von oben schöne Blicke auf die Riviera hat. Dass man da viel mehr Zeit mitbringen muss, um die Orte zu erreichen, war uns schon bewusst. Was die Fahrt aber wirklich aufregend machte, war die Tatsache, dass die Wolken gestern sehr tief hingen, was bei dem Auf und Ab des Straßenverlaufs bedeutete, dass wir zwischenzeitlich in dichten Nebel gerieten. Das war wirklich nicht immer spaßig, weil man nur hoffen konnte, dass einem kein Auto und hoffentlich schon gar kein Lkw entgegenkommt. Denn wenig sehen und nicht wissen, wo die Ausweichstellen sind, ist eine ungünstige Kombination. Ein paarmal wurde es auch ganz schön eng.

An unserer ersten Station – Monterosso al Mare – war es erträglich „voll“, aber hier haben die Leute auch „Auslauf“ und verteilen sich im doch eher langgezogenen Ort. Dort flanierten wir die Uferpromenade entlang und machten einen Abstecher auf die Hauptmeile der Altstadt. An den touristischen Hotspots in Monterosso erwartet einen – wie in den beiden anderen besuchten Cinque-Terre-Orten auch – die Szenerie eines Ortes, der dem Tourismus viel geopfert hat: Souvenirläden, Eisdielen, Restaurants, Bars und Menschen aller Nationen. Immer wenn ein Zug in den zentral gelegenen Bahnhof einfährt, werden neue Gesichter in den Ort geflutet. Dieses Schauspiel haben wir in allen drei Orten erlebt. Man passt sich dem Rhythmus irgendwie an, versucht, die vielen Menschen zu ignorieren, um die eigentlich wirklich schönen Dörfer mit ihren bunten Häusern, ihren engen Gassen, ihren Häfen und Buchten und die urbar gemachten Steilhänge zu genießen.

Wenn das gelingt, sieht man die vielen kleinen, liebevoll gestalteten Balkone und Dachterrassen der gestapelten Häuser, die obligatorischen Wäscheleinen überall, die abenteuerlich anmutenden Zugänge zu den Gärten und Weinbergen, fragt sich, wie die richtig hochgelegenen eigentlich wohl erreicht werden können und wer sich das Bewirtschaften dort oben antut, bewundert die vielen Zitronenbäume … und lauscht dem Meer, das gegen die Felsen oder Wellenbrecher rollt.

Mir gelang das am besten in Manarola. Da hat mir ohnehin sehr gut gefallen. Auch dort war es gefühlt schon voll, aber auch da werden die vielen Menschen verteilt. Ist es in Monterosso die Uferpromenade, so sind es in Manarola zwei, quasi übereinander, angelegte höhergelegene Promenaden entlang des Küstenverlaufs. Dort fanden wir auf jedem der Wege sogar einen Platz, an dem man vergleichsweise ungestört gucken und fotografieren konnte. Ich glaube, es war so gegen 15:00 Uhr, als wir da ankamen. Geblieben sind wir bis ungefähr 20:45 Uhr. Unter Fotografen ist der Blick auf die „Skyline“ von Manarola zur Blauen Stunde ein Klassiker. Allerdings reihten wir uns nicht in die sich kurz vor Sonnenuntergang auf Promenadenhöhe 1 sammelnden Fotografen ein, sondern hatten bei unserem Rundgang am Nachmittag auf Promenadenhöhe 2 einen sehr geeigneten Ort gefunden, von dem aus Johni seine Aufnahmen machte. Die finde ich wirklich unheimlich gelungen.

Hier schon einmal drei Panorama-Fotos:

Es gab aber tagsüber und auch zum Abend hin noch viel mehr zu sehen – auch durchaus Kurioses. Denn ein Ehepaar führte nicht nur einen Hund mit sich – was in Italien als durchaus normal gelten kann – sondern auch einen Papagei. Wer bitte, kommt auf eine solche Idee?

Hier also noch einige Eindrücke aus Manarola:

Am Abend wirkte Manarola tatsächlich beschaulich. Die Selfie-süchtigen Touristenmassen, über die ich mich wahrlich köstlich amüsieren konnte, weil sie die immergleichen Posen einnahmen und ein Grinsen wie Lucky Lukes Pferd Jolly Jumper aufsetzten, waren weg, es kehrte Ruhe und eine entspanntere Atmosphäre ein.

Zurück fuhren wir aber nicht mehr über die Küstenstraße, sondern wählten den deutlich kommoderen Weg über La Spezia und die Autobahn. Von dem Gekurve hatten wir wirklich die Nase voll.

In Genua – 10.04.2023

In Genua – 10.04.2023

Heute besuchten wir Genua. Wir hatten uns für eine Anreise mit dem Zug entschieden, was im Reiseführer empfohlen und auf jeden Fall sinnvoll war. Zugfahren ist in Italien im Vergleich zu Deutschand ein preiswertes Vergnügen. 28 Euro kostete die gut 50 km lange Strecke von Moneglia nach Genua (Bahnhof Piazza Principe) für uns beide – hin und zurück. Die Karten kauften wir an einem mit einem Mitarbeiter besetzten Fahrkartenschalter. Da fühlte man sich in ganz andere Zeiten versetzt.

Wir mussten einmal umsteigen – in Sestri Levante. Die Strecke führt entlang der Riviera-Küste (Riviera di Levante) durch viele Orte mit schönen, gepflegten und farbig gestrichenen Häusern, die zum Teil einen recht herrschaftlichen Eindruck machen. Die vorherrschenden Farben sind alle Schattierungen von gelb und rosa bis hin zu karminrot. Tunnel gibt es ein paar, die sind aber eher kurz. Dass Italien das Land ist, in dem die Zitronen blühen, lässt sich nicht leugnen. In ganz vielen Gärten sahen wir auf der Zugfahrt Zitronenbäume stehen, die reife Früchte trugen. Weil die Sonne so schön schien, gaben sie der ganzen Szenerie noch einen ganz besonderen Farbtupfer.

Die Ankunft in Genua holte uns dann aber wieder auf den Boden der Tatsachen einer Großstadt zurück. Schön ist das Innenleben des Bahnhofs Piazza Principe nicht, wirklich gar nicht. Keine schöne Begrüßung für die Stadt, die ja so viele schöne Palazzi bereit hält. Und, ich muss es einfach mal so schreiben: Es ist auch eine schmutzige Stadt. Das gibt es nichts zu beschönigen.

Da wir uns entscheiden mussten, worauf wir uns bei unserer Erkundungstour konzentrieren wollen, wählten wir die Altstadt. Genua ist nämlich unglaublich weitläufig, zumindest wenn man zu Fuß unterwegs ist. Der große Palast beispielsweise, den Andrea Doria bauen ließ, muss auf einen womöglich nächsten Besuch warten.

Weil es im Zug so stickig war und wir Durst bekommen hatten, liefen wir zunächst einmal in Richtung Porto Antico, den Bereich des Hafens, der in den 1990er-Jahren vom genuesischen Stararchitekten Renzo Piano neu gestaltet worden ist. Auf dem Weg dahin merkten wir schon, dass das Ansinnen, Genua zu Fuß zu erkunden, eine anstrengende Angelegenheit wird. Alleine der Weg vom Bahnhof bis zur zentralen Piazza am Porto Antico zieht sich ganz schön hin. Also änderten wir den Plan und kehrten auf halber Strecke erst einmal in einer Bar ein, tranken einen wunderbar roten alkoholfreien Cocktail und aßen Nüsschen und Chips.

Derart gestärkt, schlugen wir direkt den Weg in die Altstadt ein. War es am Hafen doch ziemlich warm, schadete eine Jacke in den Altstadtgassen gar nichts. Das ist wirklich eine ganz eigene Welt. Unheimlich hohe Häuser, die meisten mit sechs oder gar sieben Obergeschossen, ziehen sich rechts und links der schmalen Durchgänge entlang. Lichtdurchflutete Zimmer gibt es wohl garantiert erst ab dem 4. Obergeschoss – frühestens. Ansonsten führen die Leute doch eher ein Schattendasein. Das Gassengewirr ist unglaublich, zu gerne wüsste ich, was sich hinter den Fassaden verbirgt. Das einzig Sichtbare ist die Wäsche auf den Leinen an den Fenstern. Für die ist auch noch in der engsten Gasse Platz. Autos können die meisten Gassen nicht durchfahren. Überall finden sich kleine Geschäfte, Bäckereien oder kleine Lokale. Das hat schon was. Hier ein paar Eindrücke:

Je höher man in Genua aufsteigt, ganz wörtlich genommen, umso feudaler wird die Stadt. Palazzi und imposante Gebäude prägen dann die Stadt. Wer es sich leisten konnte, entfloh der Altstadt-Enge und baute sich ein Refugium mit allem erdenklichen Luxus. Der Vermieter unserer Ferienwohnung hat uns zwischenzeitlich erklärt, dass man sich nicht vorstellen kann, welch Reichtum und Luxus sich hinter den Fassaden der Palazzi verbirgt. Die wenigsten sind leider öffentlich zugänglich. Auf der Via Garibaldi sind es der Palazzo Rosso und der Palazzo Biancho (als Museen) und der Palazzo Doria-Tursi, in dem heute das Rathaus untergebracht ist. Sie, wie noch viele weitere, gehörten zu einem ganz besonderen System der „Palazzi dei Rolli“, das in früheren Jahrhunderten in Genau die Aufnahme von Staatsgästen regelte. Die Besitzer der Palazzi mussten, wenn das Losverfahren sie bestimmte, die ihnen zugewiesenen Gäste aufnehmen und entgeltlich beherbergen und bewirten. Deswegen ist an vielen Fassaden ein entsprechendes Schild angebracht. Während der sogennaten „Rolli Days“ an einem Wochenende im Mai und im Oktober öffnen auch private Besitzer für Besucher die Portale ihrer Palazzi. Das ist bestimmt ein tolles Erlebnis. Wir haben uns mit den Eindrücken des Palazzo Rosso und des „Rathaus“-Palazzo in seinem Innern auf der Via Garibaldi zufrieden gegeben.

Dann war mal wieder Zeit für eine Pause, die wir im Schatten des Teatro Carlo Felice im angegliederen Café gemacht haben. Und weil ich so von den Zitronen inspiriert war, bestellte ich mir frisch gepressten Zitronensaft und Mineralwasser und mixte mir daraus ein Zitronensaft-Schorle (natürlich mit eingerührtem Zucker, sonst wäre es schon Hardcore gewesen). Als kleine Zwischenmahlzeit zwischendurch bestellten wir uns Focaccia mit Pesto Genovese – sehr lecker. Von unserem Platz aus hatten wir die Piazza di Ferrari, den Palazzo Ducale und das Reiterstandbild von Giuseppe Garibaldi im Blick, das direkt vor dem Theater mit seinen klassizistischen Säulen steht. Mit dem Aufenthalt am Theater waren wir auch schon in der Genueser „Neustadt“ angekommen, zu dem als markante Gebäude das Theater, die Piazza de Ferrari mit ihrn aufwendigen Brunnen und Prachtbauten sowie der Palazzo Ducale zählen. Hier ein paar Fotos:

Danach bewegten wir uns durch die Porta Soprana in Richtung der Casa di Colombo – das Haus, in dem angeblich Cristoph Columbus aufgewachsen ist. Ummittelbar davor sind Überreste des Kreuzgangs des ehemaligen Klosters Sant’Andrea, der sehr fotogen ist.

Unser letztes Ziel war die Chiesa Santa Maria di Castello, wo wir noch in den Genuss einer unentgeltlichen Führung durch eine sehr engagierte Dame kamen, die sich redlich bemühte, uns „Americani“ auf Englisch die künstlerischen und kunsthistorischen Besonderheiten der Kirche und des angegliederten Museums nahezubringen. Es ist wirklich toll, was es dort alles zu sehen gibt.

Allerdings ist man ein bisschen irritiert, weil es einen totalen Kontrast gibt, den wir leider nicht fotografisch festhalten konnten. Weil die Kirche und das Kloster früher auf einem der höchsten Punkte Genaus lagen, hatte man vom Kloster aus freien Blick aufs Meer. Jetzt sind zwar Häuser davorgebaut, an manchen Stellen aber gibt es noch „Durchsicht“, und man schaut aus einem romanischen Fenster auf ein Schiff der Fährlinie „Corsica ferries“, das gerade vor Anker liegt. Das mutet schon ein wenig strange an.

Zum Schluss landeten wir an der zentralen Piazza des Porto Antico, an dem unheimlich viel Menschen unterwegs waren. Wie ich mittlerweile erfahren habe, waren im Acquario, einem der größten Aquarien Europas, das ebenfalls zum gesamten Komplex des Porto Antico zählt, am Ostermontag 26.000 Menschen. Eine vergleichsweise kurze Schlange haben wir davor gesehen – so gegen 16:30 Uhr.

So richtig Lust hatten wir auf den ganzen Menschenauflauf dort dann nicht mehr. Ein paar schnelle Fotos war es uns dann schon noch wert, vor allem vom „Bigo“, der Konstruktion, in der eine Gondel integriert ist, von der aus man einen Blick über Genua hat, der Biosphäre, einer Glaskugel oder Glaskuppel, in der exotische Pflanzen gedeihen und dem gigantischen Schiff „Neptune“, das als „Requisite“ für Roman Polanskis Film „Piraten“ diente.

Weil wir zu einer „Unzeit“, was Essengehen in Italien anbelangt, mit unserer Runde zu Ende waren, beschlossen wir, früher als geplant nach Moneglia zurückzufahren und dort zu essen. Also ging es flugs zurück zum Bahnhof und ab in den Regionalzug nach Sestri Levante und dann nach Moneglia. Dort genossen wir noch ein leckeres Abendessen mit Fisch und Muscheln.

Alles in allem fand ich Genua sehr interessant, aber ich glaube, dass Genua auch eine Stadt ist, die viel sozialen Sprengstoff birgt. Sie ist mulit-kulti und in sich widersprüchlich. Auf der einen Seite die vielen tollen Museen in den alten Palazzi und der touristisch „aufgemöbelte“ Porto Antico, buchstäblich auf der anderen Seite dieser Hafenmeile aber Geschäfte, die oftmals wie Höhlen wirken, in denen vermutlich zugewanderte Schwarzafrikaner und Asiaten jeglicher Herkunft mit billigen Importwaren oder kleinen Lebensmittelgeschäften ihr Auskommen suchen. Das hat auch etwas Beklemmendes, gehört aber vielleicht zu einer Stadt wie Genua.

Zimmer mit Aussicht – 09.04.2023

Zimmer mit Aussicht – 09.04.2023

Frohe Ostern zuerst einmal an alle!

Und Achtung: Szenenwechsel!

Das ist der Blick aus unserer neuen Bleibe, die wir gestern bezogen haben:

Wenn das mal kein Ausblick ist! Wir sind in Moneglia in Ligurien angekommen. Vom Wohnzimmer und von der Küche der Ferienwohnung aus blicken wir auf die Riviera di Levante. Wahnsinn, oder? Aber wo Licht ist, ist auch Schatten. Moneglias Zentrum ist auf Meereshöhe. Das bedeutet bei Ausflügen ins Städtchen zu Fuß einen steilen Abstieg und einen ebenso steilen Aufstieg. Aber das Ausruhen auf dem Balkon mit Blick aufs Meer entschädigt dafür.

Gestern Morgen verließen wir L’Aquila bei 3° und Regen, fuhren durch einen Schneesturm und kamen 500 km später in Moneglia bei 18° und Sonne an. Ein bisschen fühlen wir uns wie in einer anderen Welt nach der Woche in den Abruzzen. Hier ist alles bunt, viele Touristen, typische Geschäftigkeit eines Badeortes und eben viel wärmer.

Gestern Abend wagten wir zum ersten Mal den Abstieg ins Zentrum von Moneglia, um ein bisschen zu bummeln und etwas zu essen. Weil sternenklare Nacht war, machte Johni noch Sternenhimmelaufnahmen, nachdem wir den Berg wieder raufgeschnauft waren. Das geübte Auge erkennt auf den Fotos unten das Sternbild Orion, das in ca. 13.000 Jahren historischen Wert haben wird, weil dann angeblich das Sternbild auf der Nordhalbkugel nicht mehr zu sehen sein wird.

Heute verbrachten wir auch den ganzen Tag in Moneglia, beobachteten das Treiben in den Gassen und am Strand, gönnten uns ein leckeres Fischmahl, ein köstliches Eis zum Nachtisch und ließen den Herrgott einen guten Mann sein. Mittlerweile habe ich mich ja daran gewöhnt, dass die Italiener eine andere Auffassung von Feiertag haben. So auch heute, am Ostersonntag. Alle Geschäfte waren auf, sogar die Reinigung. Ein Markt fand statt. Wobei man hier nicht wirklich etwas verpasst. Es gibt viel Krimskrams, der Markt bot auch keine frischen Produkte, sondern nur Klamotten, Lederwaren etc. Die Pasticcerien hätten mich interessiert, weil dort viele Leute anstanden. Irgendetwas muss es dort an Ostern zu kaufen geben, was die Leute unbedingt essen wollen. An einer mussten die Wartenden sogar Nummern ziehen. Vielleicht kaufen sie die „Torta di Pasquetta“, die für das traditionelle Picknick am Ostermontag gebraucht wird. Sie besteht aus Blätterteig, gekochten Eiern, Ricotta und Spinat. Das klingt ja lecker.

Wir ließen den Tag im „Tal“ so gegen 17:00 Uhr mit Aperol Spritz und Chips ausklingen, womit sich auch viele Italiener auf den Abend vorbereiten. Danach kam der Aufstieg und das Beobachten des Sonnenuntergangs vom Balkon aus. Farbe haben wir auch schon etwas bekommen.

Und hier nun Fotos aus Moneglia:

 

 

 

Venerdì Santo a L’Aquila – 07.04.2023

Venerdì Santo a L’Aquila – 07.04.2023

Es ist Karwoche, und heute ist Karfreitag. Die Karwoche heißt hier Settimana Santa und der Karfreitag Venerdì Santo. Weil mich sehr interessiert, was in anderen Orten oder Ländern an Karfreitag so passiert im kirchlichen Bereich, Johni dagegen überhaupt nicht, trennten sich heute unsere Wege.

Ich blieb in L’Aquila, Johni brach Richtung Campo Imperatore auf, um dort endlich Fotos bei bestem Wetter machen zu können. Seine Bilder seht Ihr unten.

Ich besuchte die Kirche Santa Maria del Suffragio und wohnte dort einem Ritual bei, das wirklich sehr alt sein muss – der Altarwaschung. Das stand auf dem Veranstaltungskalender der Kirche:

„Unter den zahllosen Liturgien der Karwoche verdient der alte Ritus der Waschung des Altars der Kirche Santa Maria del Suffragio mit Wasser und Wein, der vor dem Erdbeben von 2009 am Abend des Gründonnerstags nach dem Abräumen des Altars in der St.-Maximus-Kathedrale durchgeführt wurde, besondere Aufmerksamkeit. Die Ursprünge des liturgischen Brauchs der Altarreinigung in den Kirchen des Ostens finden sich in den Ritualen des israelitischen Tempels, die in Exodus 29 beschrieben sind. Unter den symbolischen Bedeutungen dieses alten Ritus findet man in der Symbolik des Altars das Bild des gewaschenen Leibes Christi wie das eines Toten; der Wein und das Wasser scheinen an dieser Stelle auf das Blut und das Wasser anzuspielen und zu symbolisieren, die aus der Seite des Herrn flossen, der durch die Lanze, die ihn in die Seite traf, verwundet wurde. Am Ende der Waschungen wird der Altar mit parfümierten Ölen gesalbt.“

Und so kam es dann auch. Zehn Geistliche unterschiedlichen Ranges zogen in die Kirche ein. Alle zehn durften den Altar, der mit Wasser benetzt wurde, mit Olivenzweigen symbolisch reinigen. Die Waschung mit Wein mittels Schwamm übernahmen nur zwei der Geistlichen. Und der ranghöchste Geistliche salbte den Altar dann mit parfümiertem Öl, dessen Geruch sich in der Kirche verbreitete. Alles wurde von liturgischen Gesängen begleitet. Doch damit war die Zeremonie dann noch nicht vorbei. Die anwesenden Gläubigen hatten zum Abschluss die Gelegenheit, mit einem Papiertuch oder einem mitgebrachten Tuch etwas Öl vom Altar abzunehmen und mit nach Hause zu nehmen. Davon machten viele Gebrauch und steckten das Tuch dann entweder in kleine Plastiktüten oder hielten es so in der Hand. Einen kleinen Schnappschuss traute ich mich nach Abschluss der Zeremonie zu machen. Ich glaube, so schlimm war es nicht. Zwischendurch klingelten sowieso immer Handys, und eine Dame war sogar mit ihrem Hund vorne am Altar. Das schien die Anwesenden nicht wirklich zu stören.

Danach schlenderte ich bei bestem Frühlingswetter durch L’Aquila, wo – man glaubt es ja kaum – business as usual herrschte: Die Geschäfte, Postämter, Banken, sogar die Immobilienmaklerbüros, waren geöffnet, Baulärm wie gewohnt und viel flanierende Menschen. Ich beobachtete das Leben auf der Piazza Regina Margherita am frühen Nachmittag, schaute mir die Basilika San Bernardino an und stellte fest, dass dort aufwendige Vorbereitungen für eine Prozession am Abend getroffen wurden: la processione del Cristo Morto. Da wusste ich: Die schaue ich mir an.

Johni war am späten Nachmittag zurückgekehrt und brachte faszinierende Bilder mit: vom Geisterdorf Pagliare di Tione, vom Corno Grande, dem höchsten Berg der Abruzzen, Castel del Monte, Rocca Calascio und weitere Eindrücke. Seht selbst:

Kurz vor 20:00 Uhr gingen wir dann auf den Corso Vittorio Emanuele, um die Prozession anzusehen – also ich. Johni machte derweil in paar Nachtaufnahmen von L’Aquila, fing aber auch die Prozession ein und fotografierte zum guten Schluss – morgen geht es nach Moneglia an die Riviera-Küste – noch den toll beleuchteten Innenhof „unseres“ Palazzo. Wie zu erwarten war, löste sich nach Vorbeiziehen der Prozession die wirklich zahlreiche Menschenmenge auf und man ging wieder zur Tagesordnung über. Es war aber doch erstaunlich ruhig, als die Prozession vorüberzog. Beim Zappen durch die Fernsehprogramme zeigte der Sender Rete 8 dann die Prozession nochmal und auch noch einige in anderen abruzzischen Städten, u.a. in Sulmona.

Morgen geht es nach Moneglia an die Riviera-Küste. Das heißt früh aufstehen, denn ca. sechs Stunden Fahrt liegen dann vor uns. Hoffentlich gefällt es uns da auch so gut wie in den Abruzzen!

Ein Tag am Meer – 06.04.2023

Ein Tag am Meer – 06.04.2023

Heute jährt sich der Tag des Erdbebens, das L’Aquila so schlimm getroffen hat, zum 14. Mal. Bereits gestern Abend fand hier ein Fackelumzug statt und auch Ministerpräsidentin Meloni war wohl gestern hier. Das habe ich heute den Internet-Meldungen entnommen. Fortgesetzt wurden die Gedenkfeierlichkeiten auch heute. Wir wollten aber nicht als Voyeure hier unterwegs sein und beschlossen, ans Meer zu fahren.

Unser Ziel war Pescara an der Adriaküste, ein Bade-Hotspot seit Jahrzehnten. Es war sonnig und windig, aber es machte Spaß, am unendlich langen Sandstrand spazieren zu gehen, den Kite-Surfern zuzusehen, die imposante Brückenkonstruktion über den Fluss Pescara zu bestaunen, auf dem Corso Umberto 1° ein Eis zu essen (das ausgesprochen gut war), die Schaufenster zu betrachten und auf dem „Big Piano“ einen Dreiklang ertönen zu lassen. Rund um einen großen Brunnen sind auf dem Boden berührungsintensive Stellen, die nicht nur wie Pianotasten aussehen, sondern auch die entsprechenden Töne erzeugen. Ein Riesenspaß für alle, auch wenn meistens Kakophonie dabei herauskommt.

Eine zweite Station waren die sogenannten Trabocchi, eine uralte Fischfang-Konstruktion direkt am Meer und zwar immer genau da, wo die Strömung Fischschwärme hintrieb. Sie sind selten geworden, diese ursprünglich hölzernen Konstruktionen mit langen Auslegern, an denen Netze angebracht, zu Wasser gelassen und dann wieder hochgezogen wurden. Der Küstenabschnitt der Adria in den südlichen Abruzzen wird als „Costa dei trabocchi“ als touristische Attraktion vermarktet. Sie sind aber auch wirklich ein schöner Blickfang. Und in der modernen Variante, wie in Pescara, kann man sogar Architektur-Designpreise damit gewinnen.

 

 

Verlassen und lebendig – Rocca Calascio und Sulmona – 05.04.2023

Verlassen und lebendig – Rocca Calascio und Sulmona – 05.04.2023

Spät erst komme ich heute dazu, zu schreiben. Es ist schon kurz nach 23:00 Uhr. Vor einer halben Stunde sind wir erst von unserer Tagestour zurückgekommen. Und jetzt mussten wir erst einmal den Restmüll noch rausbringen. Ja, hier wird der Gast gefordert. In L’Aquila ist es nämlich so, dass fast jeden Tag irgendeine Müllsorte abgeholt wird. Die Mülltonnen sind klein – eckige kniehohe Gefäße mit Klappdeckel und Henkel. Die stellt man einfach vor die Tür. Ich habe zwar hier noch nie einen Müllwagen gesehen noch gehört, aber irgendwann sind die Tonnen leer.

Aber nun zum wirklich Wichtigen heute. Heute erkundeten wir einen anderen Teil des Nationalparks Gran Sasso e Monti della Laga. Dabei hat es den ganzen Tag ganz leicht geschneit und an unserem höchstgelegensten Ziel, das war die Burgruine Rocca Calascio auf knapp 1.500 Metern, hatten wir mal wieder nur -1°, aber ohne Wind. Zuvor machten wir irgendwo Halt, um eine Landschaft im Widerstreit zwischen Winter und Frühling zu fotografieren und die durchs Erdbeben zerstörte Kirche des Ortes Santo Stefano di Sessanio – einst ein Wahrzeichen der Abruzzen.

Die Rocca Calascio und die etwas unterhalb gelegene achteckige Chiesa di Santa Maria della Pietà sind wirklich einen Besuch wert. Es ist zwar mit etwas Fußweg verbunden, beginnend im Ort Calascio. Und wenn man nicht, so wie wir, den steilsten und unwegsamsten Verbindungsweg zwischen der Chiesa und der Rocca nimmt, ist der Aufstieg – abgesehen von ein paar Steigungen – eigentlich auch ganz kommod. Gerne hätten wir uns in Calascio ja noch gestärkt, und nachdem wir auch eine Bar mit offener Tür gefunden hatten, machte man uns klar, dass noch nicht geöffnet ist. Einen Caffè hätte uns die Dame am Tresen zwar trotzdem verkauft, ein Mann, der dazukam, machte diese Aussicht aber wieder zunichte. Warum, konnten wir nicht so richtig nachvollziehen.

Wie auch immer, die Ausblicke sind wirklich spitzenmäßig. In der Hoffnung, dass sich die Sonne doch noch durch die tiefliegenden und ständig vorbeiziehenden Wolken kämpft, blieben wir lange oben. Den Gefallen tat sie uns nicht. Es war aber trotzdem eine tolle Station.

Von der Rocca Calascio konnten wir auch schon unser nächstes Ziel sehen: den Ort Castel del Monte. In „Vorbereitung“ auf unsere Reise hatten wir uns den Film „The American“ mit George Clooney angesehen, der hauptsächlich in diesem nur ein paar Hundert Einwohner zählenden Bergdorf gedreht wurde. Castel del Monte diente laut aufgestelltem Schild für mehr als 20 Filme als Filmkulisse. Es besteht hauptsächlich aus einem unglaublichen Gewirr aufsteigender und absteigender Gassen, und es wirkte seltsam, fast schon gespenstisch leer. Außer ein paar Bauabeitern und der einzig belebten Bar auf einem Platz war gar kein Leben dort. In der Bar kamen wir dann endlich doch noch zu einem Caffè und einem Panino. Die Bestellung wurde gedolmetscht von einem zufällig anwesenden Einwohner, der Englisch sprach und die leidvolle Aufgabe hatte, eine kleine amerikanische Reisegruppe zu begleiten. Das Panino war köstlich, und während wir da saßen, beobachtete uns ein alter Mann, der mich ein bisschen an Karl Valentin erinnerte. Was er sich bei dem Treiben um ihn herum, lärmende Amerikaner und zwei versprengte Deutsche (also wir), so dachte, ich möchte es nicht wirklich wissen.

Es war dann so kurz vor 16:00 Uhr, als wir uns wieder aufmachten, um noch einige ausgewählte Orte zu besuchen. Das kleine romanische Kirchlein San Pietro ad Oratorium erwies sich leider als Reinfall, weil es mit einem schmucken Gitterzaun, der natürlich abgeschlossen war, umgeben war und uns quasi nur seinen „Hintern“ zeigte.

Am Wegesrand, also direkt an der vielbefahrenen SS17, lag dann noch die Ruine der Kirche Santa Maria die Cartignano. Die war es dann schon wert, kurz anzuhalten.

Und weil wir dann doch schon recht nah am Städtchen Sulmona waren, fuhren wir dorthin. Leider war das Wetter ein bisschen regnerisch, aber das störte nicht weiter. Sulmona ist wirklich einen Besuch wert. Ein wunderschönes Städtchen, das wohl gerne auch als „Siena der Abruzzen“ bezeichnet wird, wie ich nachgelesen habe. Das Erste, was ich da tat, war, mir elf wunderschöne bunte Blumen zu kaufen – sehr geschmackvolle künstliche Blumen, wie ich zunächst dachte. Künstliche Blumen, allerdings oft hässlich wie die Nacht finster ist, sieht man ja in Italien zuhauf. Wie ich später kapierte, waren meine Blumen nicht nur geschmackvoll schön, sondern die Blütenblätter bestehen aus den „Confetti“, für die Sulmona bekannt ist. Mandeln oder Nüsse, die mit Zuckerguss überzogen sind und entweder in Beuteln oder eben zu solchen Blumen gebastelt verkauft werden. Diese „Confetti“ sind offenbar tatsächlich weltberühmt. Selbst das englische Königshaus servierte sie bei den Hochzeiten von Harry und Meghan. Und weil wir gerade bei Promis sind: Ovid stammte aus Sulmona. Mir haben einfach nur die tollen Farben gefallen. Probiert habe ich die Confetti noch nicht. Sie sind mir dazu viel zu schade.

Mein Versuch, roten Knoblauch zu erstehen, für den Sulmona auch bekannt ist, führte mich in einen sehr kleinen, dafür aber umso vollgestopfteren Lebensmittelladen. Die sehr nette Dame hinter dem Ladentisch gab mir auch Italienisch wortreich zu verstehen, dass sie keinen habe und lieferte mir auch eine Erklärung mit, die ich nur sehr rudimentär verstand. Ich glaube aber, verstanden zu haben, dass sie mir deshalb keinen verkaufen will, weil er nicht mehr frisch ist und dann nicht mehr gut schmeckt. Also zog ich unverrichteter Dinge wieder ab.

Weil ich noch eine Spezialität der Abruzzen erstehen wollte, landete ich in einem Confiserie-Laden, der Pan Ducale verkaufte. Eine Kuchenspezialität, die wohl sehr gerne auch zu Ostern gegessen wird. Die des Englischen mächtige Inhaberin hätte mir am liebsten ihr ganzes Sortiment erlesener Schokoladen verkauft und war sichtlich enttäuscht, dass ich mich nicht erweichen ließ, mehr zu kaufen.

Danach flanierten wir durch die Fußgängerzone mit Ampelanlage (!) und bestaunten die Kirchen und Gebäude.

Ein Italiener, der sah, dass wir Kameras umhängen haben, freute sich sichtlich darüber und redete ebenfalls auf Italienisch auf uns ein. Was wir verstanden zu haben glaubten, ist, dass er auch sehr gerne fotografiert, jetzt mit einer kleinen handlichen Leica-Kamera, früher mit einer Hasselblad. Als er hörte, dass wir Deutsche sind, sagte er in ganz strengem, fast martialischen Tonfall auf Deutsch „Ah, deutsch“ und nahm eine stramme Haltung ein. Das ging uns später noch einmal so. Anscheinend verbinden sie das mit Strenge und harter Disziplin.

Ich persönlich würde Sulmona ja als „Stadt der Balkone“ bezeichnen. Balkone, wohin man schaut. Warum Sulmona so viele Balkone hat – die Antwort auf diese Frage blieb leider nur unzureichend. Ich nutzte meine Chance und fragte ein amerikanisches Ehepaar aus Seattle, die am Nebentisch der Pizzeria saßen, wo wir uns zum Schluss unseres Besuches niederließen. Der Mann war gebürtig aus Sulmona, seine Frau hatte polnische Wurzeln. Die beiden meinten, sie dienten wohl nur dazu, den Menschen die Möglichkeit zu geben, das Leben auf der Straße zu beobachten. Auch gut.

Es war schon kurz nach 21:00 Uhr, als wir in Sulmona aufbrachen, um nach L’Aquila zurückzukehren. Wir zogen dann die rund 100 km lange Strecke über die Autobahn der kurvenreichen nur 70 km langen über die SS17 vor. Womöglich wären wir mit einem Bären kollidiert. Davor wurde am Straßenrand sehr bildreich gewarnt. Und die Bären sollen ja leben …

 

 

Faszinierendes Allerlei – 04.04.2023

Faszinierendes Allerlei – 04.04.2023

Heute haben wir uns auf den Weg gemacht zum Campo Imperatore, einer Hochebene im Parco Nazionale del Gran Sasso e Monti della Laga, die nur wenige Kilometer von L’Aquila entfernt liegt auf 1.500 – 1.900 Metern. Allein, wir kamen gar nicht bis dahin, weil auf dem Piano di Fugno auf knapp 1.400 Metern Ende war. Danach war wegen Schnees gesperrt. Wir sahen zwar keinen, aber Stop heißt halt nun mal Stop. Das war zwar schade, aber die Aussichten auf die noch schneebedeckten Berge des Apennin waren von dort wunderschön, wie überhaupt die ganze Landschaft da unglaublich schön ist. Wenn man sich die Bäume wegdenkt, könnte man es auch für Island halten. Keine Menschenseele weit und breit. Kalt war es allerdings schon. Bei -1° mussten wir alle Jacken anziehen, die wir im Auto dabei hatten. Da hätten wir uns einen Schafspelz gewünscht. Doch den hatten wir weiter unten an uns vorbeiziehen lassen, als ein Schäfer mit seiner Herde und den besonderen weißen Schutzhunden, den Maremmen-Abruzzen-Schäferhunden, unseren Weg kreuzte.

Auf dem Weg wieder runter machten wir Halt an einem See, dem Lago di Filetto und dem kleinen Kirchlein Tempietto di Sant’Eusanio. Das alles gehört zur Gemeinde Filetto, durch die wir dann auch kamen. Dort wäre vielleicht auch eine ganz interessante Kirche gewesen, die man uns noch auf einem Hinweisschild angedient hatte. Aber die Ortsdurchfahrt war so eng, dass wir doch lieber darauf verzichtet haben. Am Sonntag hatten wir uns schon durch so manche wirklich enge Straße gedrängt, darauf hatten wir heute wirklich keine Lust. Vor allem, als wir miterlebten, wie eng es schon für einen kleinen Panda war, der uns entgegenkam.

In L’Aquila wieder angekommen, fuhren wir zur Kirche Santa Maria di Collemaggio. Sie ist wirklich sehr schön, allerdings mussten wir schmunzeln, weil der Satz „Sie liegt malerisch am Rande der Stadt in einem Park“ bei Wikepedia nun so gar nicht zutraf. Die erdige große rechteckige Fläche vor der Kirche wurde von einem großen Traktor gepflügt, rechts neben der Kirche waren Bauzäune, zugänglich war sie sowieso nicht und links die ehemalige psychiatrische Klinik von Collemaggio – ein veritabler Lost Place. Den haben wir uns natürlich besonders genau angesehen. Es ist ein sehr großes Gelände mit vielen Gebäuden, von denen offenbar doch auch einige noch genutzt werden – zumindest von Veterinärmedizinern. Eine alternative Gruppe mit Namen Casematte hat sich dort angesiedelt, und es herrschte reger Autoverkehr.

Und weil wir uns ja auch sehr gerne Friedhöfe ansehen, besuchten wir noch den Friedhof von L’Aquila – auch ein riesiges Gelände mit alten Gräbern und vielen Mausoleen. Und natürlich ging es auch da steil bergauf. Aber es hat sich wirklich gelohnt.

Den Abend haben wir im „Strapescato“, einem Fischrestaurant in L’Aquila verbracht. Das Essen und der Wein waren köstlich, die Tellerdekoration allerdings etwas gewöhnungsbedürftig. Denn zu meinem Fischfilet hatte sich auch der Rest der Kreatur gesellt. „Schau mir in die Augen, Kleines“ hieß es da.

 

L’Aquila, die geschundene Stadt – 03.04.2023

L’Aquila, die geschundene Stadt – 03.04.2023

Die Stadt L’Aquila, die am 6. April 2009 um 3.32 Uhr von einem schlimmen Erdbeben getroffen wurde, ist für eine Woche unser Urlaubsdomizil. Klingt merkwürdig und fühlt sich auch seltsam an. Seit Samstag sind wir hier. Unsere Ferienwohnung liegt in einem wunderschön restaurierten Palazzo der Altstadt, dem Palazzo Carli – Benedetti. Der Ursprungsbau ist aus dem 15. Jahrhundert. Über einen wunderschönen säulenbestandenen Innenhof mit Brunnen gelangt man in die hochmoderne Ferienwohnung mit alter Eingangstür, uralter, bemalter Holzkassettendecke und riesiger Terrasse. Die Ferienwohnung wird bei booking.com unter dem Namen „Sound of Silence“ angeboten, und es ist auch sehr ruhig.

Wie ein Erdbeben eine Stadt buchstäblich aus den Fugen geraten lässt, ist in L’Aquila zu sehen. Bei unserem heutigen Rundgang durch die Stadt zeigte sich ein ganz zerrissenes Bild. Vor dem Erdbeben war L’Aquila bestimmt die lebendige, architektonisch eindrucksvolle Metropole der Abruzzen mit unzähligen Palazzi, alten Kirchen und schönen Plätzen, wie es oft zu lesen ist. Auch jetzt ist viel Aktivität und Lärm in der Stadt – allerdings rührt sie hauptsächlich von Bohrern, Hämmern und Baumaschinen-Motoren her. Es riecht nach Zement, Baustaub liegt auf Fenstern und Straßen, allerorten Bauzäne, Baugerüste und massive Gerüste, die Gebäude stützen. Hinter verhüllten Fassaden, die gar nichts von ihrem Innenleben freigeben, wird gewerkelt. Teilweise ist eine Seite einer schmalen Altstadtgasse schon wieder wunderschön restauriert, auf der anderen hingegen noch nichts oder noch nicht viel geschehen. Die wenigsten Kirchen sind schon wieder hergerichtet, der Wiederaufbau der Häuser kommt einer Mammutaufgabe gleich. Oft wirkt es so, als wären selbst die neuen Gebäude nicht bewohnt, vielleicht noch nicht wieder bewohnt. An manchen steht aber tatsächlich „Vendesi“ (zu verkaufen).

Andererseits sind auf der Haupt-Einkaufsmeile, dem Corso Vittorio Emanuele, der aufgrund von Bauarbeiten selbst oft nur auf halber Breite begangen werden kann, schon wieder viele Geschäfte entstanden, auch mit hochwertigen Sortimenten. Es gibt zahlreiche Lokale, einige Cafés etc. Aber trotz allem hat es nicht wirklich den Charakter von Normalität. Das finde ich für die Einwohner schon bitter. Es hat wohl auch einige Jahre gedauert, bis der Wiederaufbau überhaupt in Gang kam. Ob Corona die Aktivitäten dann zusätzlich noch verlangsamt hat, keine Ahnung.

Gleichwohl finde ich es erstaunlich, wie viele junge Menschen es in L’Aquila gibt, wenn ich mir die Leute auf der Straße so ansehe. Sie wirken nicht gramgebeugt, eher so, als hätten sie akzeptiert, dass ihre (Alt-)Stadt halt erst wieder „auferstehen“ muss. Es ist L’Aquila wirklich zu wünschen, dass es seinen früheren Charme zurückgewinnt. Denn man braucht gar nicht so viel Fantasie, um sich das vorzustellen.

Wir haben unseren Stadtrundgang dazu genutzt, die Eindrücke von L’Aquila fotografisch festzuhalten. Hier unsere Eindrücke: