Venerdì Santo a L’Aquila – 07.04.2023

Venerdì Santo a L’Aquila – 07.04.2023

Es ist Karwoche, und heute ist Karfreitag. Die Karwoche heißt hier Settimana Santa und der Karfreitag Venerdì Santo. Weil mich sehr interessiert, was in anderen Orten oder Ländern an Karfreitag so passiert im kirchlichen Bereich, Johni dagegen überhaupt nicht, trennten sich heute unsere Wege.

Ich blieb in L’Aquila, Johni brach Richtung Campo Imperatore auf, um dort endlich Fotos bei bestem Wetter machen zu können. Seine Bilder seht Ihr unten.

Ich besuchte die Kirche Santa Maria del Suffragio und wohnte dort einem Ritual bei, das wirklich sehr alt sein muss – der Altarwaschung. Das stand auf dem Veranstaltungskalender der Kirche:

„Unter den zahllosen Liturgien der Karwoche verdient der alte Ritus der Waschung des Altars der Kirche Santa Maria del Suffragio mit Wasser und Wein, der vor dem Erdbeben von 2009 am Abend des Gründonnerstags nach dem Abräumen des Altars in der St.-Maximus-Kathedrale durchgeführt wurde, besondere Aufmerksamkeit. Die Ursprünge des liturgischen Brauchs der Altarreinigung in den Kirchen des Ostens finden sich in den Ritualen des israelitischen Tempels, die in Exodus 29 beschrieben sind. Unter den symbolischen Bedeutungen dieses alten Ritus findet man in der Symbolik des Altars das Bild des gewaschenen Leibes Christi wie das eines Toten; der Wein und das Wasser scheinen an dieser Stelle auf das Blut und das Wasser anzuspielen und zu symbolisieren, die aus der Seite des Herrn flossen, der durch die Lanze, die ihn in die Seite traf, verwundet wurde. Am Ende der Waschungen wird der Altar mit parfümierten Ölen gesalbt.“

Und so kam es dann auch. Zehn Geistliche unterschiedlichen Ranges zogen in die Kirche ein. Alle zehn durften den Altar, der mit Wasser benetzt wurde, mit Olivenzweigen symbolisch reinigen. Die Waschung mit Wein mittels Schwamm übernahmen nur zwei der Geistlichen. Und der ranghöchste Geistliche salbte den Altar dann mit parfümiertem Öl, dessen Geruch sich in der Kirche verbreitete. Alles wurde von liturgischen Gesängen begleitet. Doch damit war die Zeremonie dann noch nicht vorbei. Die anwesenden Gläubigen hatten zum Abschluss die Gelegenheit, mit einem Papiertuch oder einem mitgebrachten Tuch etwas Öl vom Altar abzunehmen und mit nach Hause zu nehmen. Davon machten viele Gebrauch und steckten das Tuch dann entweder in kleine Plastiktüten oder hielten es so in der Hand. Einen kleinen Schnappschuss traute ich mich nach Abschluss der Zeremonie zu machen. Ich glaube, so schlimm war es nicht. Zwischendurch klingelten sowieso immer Handys, und eine Dame war sogar mit ihrem Hund vorne am Altar. Das schien die Anwesenden nicht wirklich zu stören.

Danach schlenderte ich bei bestem Frühlingswetter durch L’Aquila, wo – man glaubt es ja kaum – business as usual herrschte: Die Geschäfte, Postämter, Banken, sogar die Immobilienmaklerbüros, waren geöffnet, Baulärm wie gewohnt und viel flanierende Menschen. Ich beobachtete das Leben auf der Piazza Regina Margherita am frühen Nachmittag, schaute mir die Basilika San Bernardino an und stellte fest, dass dort aufwendige Vorbereitungen für eine Prozession am Abend getroffen wurden: la processione del Cristo Morto. Da wusste ich: Die schaue ich mir an.

Johni war am späten Nachmittag zurückgekehrt und brachte faszinierende Bilder mit: vom Geisterdorf Pagliare di Tione, vom Corno Grande, dem höchsten Berg der Abruzzen, Castel del Monte, Rocca Calascio und weitere Eindrücke. Seht selbst:

Kurz vor 20:00 Uhr gingen wir dann auf den Corso Vittorio Emanuele, um die Prozession anzusehen – also ich. Johni machte derweil in paar Nachtaufnahmen von L’Aquila, fing aber auch die Prozession ein und fotografierte zum guten Schluss – morgen geht es nach Moneglia an die Riviera-Küste – noch den toll beleuchteten Innenhof „unseres“ Palazzo. Wie zu erwarten war, löste sich nach Vorbeiziehen der Prozession die wirklich zahlreiche Menschenmenge auf und man ging wieder zur Tagesordnung über. Es war aber doch erstaunlich ruhig, als die Prozession vorüberzog. Beim Zappen durch die Fernsehprogramme zeigte der Sender Rete 8 dann die Prozession nochmal und auch noch einige in anderen abruzzischen Städten, u.a. in Sulmona.

Morgen geht es nach Moneglia an die Riviera-Küste. Das heißt früh aufstehen, denn ca. sechs Stunden Fahrt liegen dann vor uns. Hoffentlich gefällt es uns da auch so gut wie in den Abruzzen!

Verlassen und lebendig – Rocca Calascio und Sulmona – 05.04.2023

Verlassen und lebendig – Rocca Calascio und Sulmona – 05.04.2023

Spät erst komme ich heute dazu, zu schreiben. Es ist schon kurz nach 23:00 Uhr. Vor einer halben Stunde sind wir erst von unserer Tagestour zurückgekommen. Und jetzt mussten wir erst einmal den Restmüll noch rausbringen. Ja, hier wird der Gast gefordert. In L’Aquila ist es nämlich so, dass fast jeden Tag irgendeine Müllsorte abgeholt wird. Die Mülltonnen sind klein – eckige kniehohe Gefäße mit Klappdeckel und Henkel. Die stellt man einfach vor die Tür. Ich habe zwar hier noch nie einen Müllwagen gesehen noch gehört, aber irgendwann sind die Tonnen leer.

Aber nun zum wirklich Wichtigen heute. Heute erkundeten wir einen anderen Teil des Nationalparks Gran Sasso e Monti della Laga. Dabei hat es den ganzen Tag ganz leicht geschneit und an unserem höchstgelegensten Ziel, das war die Burgruine Rocca Calascio auf knapp 1.500 Metern, hatten wir mal wieder nur -1°, aber ohne Wind. Zuvor machten wir irgendwo Halt, um eine Landschaft im Widerstreit zwischen Winter und Frühling zu fotografieren und die durchs Erdbeben zerstörte Kirche des Ortes Santo Stefano di Sessanio – einst ein Wahrzeichen der Abruzzen.

Die Rocca Calascio und die etwas unterhalb gelegene achteckige Chiesa di Santa Maria della Pietà sind wirklich einen Besuch wert. Es ist zwar mit etwas Fußweg verbunden, beginnend im Ort Calascio. Und wenn man nicht, so wie wir, den steilsten und unwegsamsten Verbindungsweg zwischen der Chiesa und der Rocca nimmt, ist der Aufstieg – abgesehen von ein paar Steigungen – eigentlich auch ganz kommod. Gerne hätten wir uns in Calascio ja noch gestärkt, und nachdem wir auch eine Bar mit offener Tür gefunden hatten, machte man uns klar, dass noch nicht geöffnet ist. Einen Caffè hätte uns die Dame am Tresen zwar trotzdem verkauft, ein Mann, der dazukam, machte diese Aussicht aber wieder zunichte. Warum, konnten wir nicht so richtig nachvollziehen.

Wie auch immer, die Ausblicke sind wirklich spitzenmäßig. In der Hoffnung, dass sich die Sonne doch noch durch die tiefliegenden und ständig vorbeiziehenden Wolken kämpft, blieben wir lange oben. Den Gefallen tat sie uns nicht. Es war aber trotzdem eine tolle Station.

Von der Rocca Calascio konnten wir auch schon unser nächstes Ziel sehen: den Ort Castel del Monte. In „Vorbereitung“ auf unsere Reise hatten wir uns den Film „The American“ mit George Clooney angesehen, der hauptsächlich in diesem nur ein paar Hundert Einwohner zählenden Bergdorf gedreht wurde. Castel del Monte diente laut aufgestelltem Schild für mehr als 20 Filme als Filmkulisse. Es besteht hauptsächlich aus einem unglaublichen Gewirr aufsteigender und absteigender Gassen, und es wirkte seltsam, fast schon gespenstisch leer. Außer ein paar Bauabeitern und der einzig belebten Bar auf einem Platz war gar kein Leben dort. In der Bar kamen wir dann endlich doch noch zu einem Caffè und einem Panino. Die Bestellung wurde gedolmetscht von einem zufällig anwesenden Einwohner, der Englisch sprach und die leidvolle Aufgabe hatte, eine kleine amerikanische Reisegruppe zu begleiten. Das Panino war köstlich, und während wir da saßen, beobachtete uns ein alter Mann, der mich ein bisschen an Karl Valentin erinnerte. Was er sich bei dem Treiben um ihn herum, lärmende Amerikaner und zwei versprengte Deutsche (also wir), so dachte, ich möchte es nicht wirklich wissen.

Es war dann so kurz vor 16:00 Uhr, als wir uns wieder aufmachten, um noch einige ausgewählte Orte zu besuchen. Das kleine romanische Kirchlein San Pietro ad Oratorium erwies sich leider als Reinfall, weil es mit einem schmucken Gitterzaun, der natürlich abgeschlossen war, umgeben war und uns quasi nur seinen „Hintern“ zeigte.

Am Wegesrand, also direkt an der vielbefahrenen SS17, lag dann noch die Ruine der Kirche Santa Maria die Cartignano. Die war es dann schon wert, kurz anzuhalten.

Und weil wir dann doch schon recht nah am Städtchen Sulmona waren, fuhren wir dorthin. Leider war das Wetter ein bisschen regnerisch, aber das störte nicht weiter. Sulmona ist wirklich einen Besuch wert. Ein wunderschönes Städtchen, das wohl gerne auch als „Siena der Abruzzen“ bezeichnet wird, wie ich nachgelesen habe. Das Erste, was ich da tat, war, mir elf wunderschöne bunte Blumen zu kaufen – sehr geschmackvolle künstliche Blumen, wie ich zunächst dachte. Künstliche Blumen, allerdings oft hässlich wie die Nacht finster ist, sieht man ja in Italien zuhauf. Wie ich später kapierte, waren meine Blumen nicht nur geschmackvoll schön, sondern die Blütenblätter bestehen aus den „Confetti“, für die Sulmona bekannt ist. Mandeln oder Nüsse, die mit Zuckerguss überzogen sind und entweder in Beuteln oder eben zu solchen Blumen gebastelt verkauft werden. Diese „Confetti“ sind offenbar tatsächlich weltberühmt. Selbst das englische Königshaus servierte sie bei den Hochzeiten von Harry und Meghan. Und weil wir gerade bei Promis sind: Ovid stammte aus Sulmona. Mir haben einfach nur die tollen Farben gefallen. Probiert habe ich die Confetti noch nicht. Sie sind mir dazu viel zu schade.

Mein Versuch, roten Knoblauch zu erstehen, für den Sulmona auch bekannt ist, führte mich in einen sehr kleinen, dafür aber umso vollgestopfteren Lebensmittelladen. Die sehr nette Dame hinter dem Ladentisch gab mir auch Italienisch wortreich zu verstehen, dass sie keinen habe und lieferte mir auch eine Erklärung mit, die ich nur sehr rudimentär verstand. Ich glaube aber, verstanden zu haben, dass sie mir deshalb keinen verkaufen will, weil er nicht mehr frisch ist und dann nicht mehr gut schmeckt. Also zog ich unverrichteter Dinge wieder ab.

Weil ich noch eine Spezialität der Abruzzen erstehen wollte, landete ich in einem Confiserie-Laden, der Pan Ducale verkaufte. Eine Kuchenspezialität, die wohl sehr gerne auch zu Ostern gegessen wird. Die des Englischen mächtige Inhaberin hätte mir am liebsten ihr ganzes Sortiment erlesener Schokoladen verkauft und war sichtlich enttäuscht, dass ich mich nicht erweichen ließ, mehr zu kaufen.

Danach flanierten wir durch die Fußgängerzone mit Ampelanlage (!) und bestaunten die Kirchen und Gebäude.

Ein Italiener, der sah, dass wir Kameras umhängen haben, freute sich sichtlich darüber und redete ebenfalls auf Italienisch auf uns ein. Was wir verstanden zu haben glaubten, ist, dass er auch sehr gerne fotografiert, jetzt mit einer kleinen handlichen Leica-Kamera, früher mit einer Hasselblad. Als er hörte, dass wir Deutsche sind, sagte er in ganz strengem, fast martialischen Tonfall auf Deutsch „Ah, deutsch“ und nahm eine stramme Haltung ein. Das ging uns später noch einmal so. Anscheinend verbinden sie das mit Strenge und harter Disziplin.

Ich persönlich würde Sulmona ja als „Stadt der Balkone“ bezeichnen. Balkone, wohin man schaut. Warum Sulmona so viele Balkone hat – die Antwort auf diese Frage blieb leider nur unzureichend. Ich nutzte meine Chance und fragte ein amerikanisches Ehepaar aus Seattle, die am Nebentisch der Pizzeria saßen, wo wir uns zum Schluss unseres Besuches niederließen. Der Mann war gebürtig aus Sulmona, seine Frau hatte polnische Wurzeln. Die beiden meinten, sie dienten wohl nur dazu, den Menschen die Möglichkeit zu geben, das Leben auf der Straße zu beobachten. Auch gut.

Es war schon kurz nach 21:00 Uhr, als wir in Sulmona aufbrachen, um nach L’Aquila zurückzukehren. Wir zogen dann die rund 100 km lange Strecke über die Autobahn der kurvenreichen nur 70 km langen über die SS17 vor. Womöglich wären wir mit einem Bären kollidiert. Davor wurde am Straßenrand sehr bildreich gewarnt. Und die Bären sollen ja leben …