In Genua – 10.04.2023
Heute besuchten wir Genua. Wir hatten uns für eine Anreise mit dem Zug entschieden, was im Reiseführer empfohlen und auf jeden Fall sinnvoll war. Zugfahren ist in Italien im Vergleich zu Deutschand ein preiswertes Vergnügen. 28 Euro kostete die gut 50 km lange Strecke von Moneglia nach Genua (Bahnhof Piazza Principe) für uns beide – hin und zurück. Die Karten kauften wir an einem mit einem Mitarbeiter besetzten Fahrkartenschalter. Da fühlte man sich in ganz andere Zeiten versetzt.
Wir mussten einmal umsteigen – in Sestri Levante. Die Strecke führt entlang der Riviera-Küste (Riviera di Levante) durch viele Orte mit schönen, gepflegten und farbig gestrichenen Häusern, die zum Teil einen recht herrschaftlichen Eindruck machen. Die vorherrschenden Farben sind alle Schattierungen von gelb und rosa bis hin zu karminrot. Tunnel gibt es ein paar, die sind aber eher kurz. Dass Italien das Land ist, in dem die Zitronen blühen, lässt sich nicht leugnen. In ganz vielen Gärten sahen wir auf der Zugfahrt Zitronenbäume stehen, die reife Früchte trugen. Weil die Sonne so schön schien, gaben sie der ganzen Szenerie noch einen ganz besonderen Farbtupfer.
Die Ankunft in Genua holte uns dann aber wieder auf den Boden der Tatsachen einer Großstadt zurück. Schön ist das Innenleben des Bahnhofs Piazza Principe nicht, wirklich gar nicht. Keine schöne Begrüßung für die Stadt, die ja so viele schöne Palazzi bereit hält. Und, ich muss es einfach mal so schreiben: Es ist auch eine schmutzige Stadt. Das gibt es nichts zu beschönigen.
Da wir uns entscheiden mussten, worauf wir uns bei unserer Erkundungstour konzentrieren wollen, wählten wir die Altstadt. Genua ist nämlich unglaublich weitläufig, zumindest wenn man zu Fuß unterwegs ist. Der große Palast beispielsweise, den Andrea Doria bauen ließ, muss auf einen womöglich nächsten Besuch warten.
Weil es im Zug so stickig war und wir Durst bekommen hatten, liefen wir zunächst einmal in Richtung Porto Antico, den Bereich des Hafens, der in den 1990er-Jahren vom genuesischen Stararchitekten Renzo Piano neu gestaltet worden ist. Auf dem Weg dahin merkten wir schon, dass das Ansinnen, Genua zu Fuß zu erkunden, eine anstrengende Angelegenheit wird. Alleine der Weg vom Bahnhof bis zur zentralen Piazza am Porto Antico zieht sich ganz schön hin. Also änderten wir den Plan und kehrten auf halber Strecke erst einmal in einer Bar ein, tranken einen wunderbar roten alkoholfreien Cocktail und aßen Nüsschen und Chips.
Derart gestärkt, schlugen wir direkt den Weg in die Altstadt ein. War es am Hafen doch ziemlich warm, schadete eine Jacke in den Altstadtgassen gar nichts. Das ist wirklich eine ganz eigene Welt. Unheimlich hohe Häuser, die meisten mit sechs oder gar sieben Obergeschossen, ziehen sich rechts und links der schmalen Durchgänge entlang. Lichtdurchflutete Zimmer gibt es wohl garantiert erst ab dem 4. Obergeschoss – frühestens. Ansonsten führen die Leute doch eher ein Schattendasein. Das Gassengewirr ist unglaublich, zu gerne wüsste ich, was sich hinter den Fassaden verbirgt. Das einzig Sichtbare ist die Wäsche auf den Leinen an den Fenstern. Für die ist auch noch in der engsten Gasse Platz. Autos können die meisten Gassen nicht durchfahren. Überall finden sich kleine Geschäfte, Bäckereien oder kleine Lokale. Das hat schon was. Hier ein paar Eindrücke:
Je höher man in Genua aufsteigt, ganz wörtlich genommen, umso feudaler wird die Stadt. Palazzi und imposante Gebäude prägen dann die Stadt. Wer es sich leisten konnte, entfloh der Altstadt-Enge und baute sich ein Refugium mit allem erdenklichen Luxus. Der Vermieter unserer Ferienwohnung hat uns zwischenzeitlich erklärt, dass man sich nicht vorstellen kann, welch Reichtum und Luxus sich hinter den Fassaden der Palazzi verbirgt. Die wenigsten sind leider öffentlich zugänglich. Auf der Via Garibaldi sind es der Palazzo Rosso und der Palazzo Biancho (als Museen) und der Palazzo Doria-Tursi, in dem heute das Rathaus untergebracht ist. Sie, wie noch viele weitere, gehörten zu einem ganz besonderen System der „Palazzi dei Rolli“, das in früheren Jahrhunderten in Genau die Aufnahme von Staatsgästen regelte. Die Besitzer der Palazzi mussten, wenn das Losverfahren sie bestimmte, die ihnen zugewiesenen Gäste aufnehmen und entgeltlich beherbergen und bewirten. Deswegen ist an vielen Fassaden ein entsprechendes Schild angebracht. Während der sogennaten „Rolli Days“ an einem Wochenende im Mai und im Oktober öffnen auch private Besitzer für Besucher die Portale ihrer Palazzi. Das ist bestimmt ein tolles Erlebnis. Wir haben uns mit den Eindrücken des Palazzo Rosso und des „Rathaus“-Palazzo in seinem Innern auf der Via Garibaldi zufrieden gegeben.
Dann war mal wieder Zeit für eine Pause, die wir im Schatten des Teatro Carlo Felice im angegliederen Café gemacht haben. Und weil ich so von den Zitronen inspiriert war, bestellte ich mir frisch gepressten Zitronensaft und Mineralwasser und mixte mir daraus ein Zitronensaft-Schorle (natürlich mit eingerührtem Zucker, sonst wäre es schon Hardcore gewesen). Als kleine Zwischenmahlzeit zwischendurch bestellten wir uns Focaccia mit Pesto Genovese – sehr lecker. Von unserem Platz aus hatten wir die Piazza di Ferrari, den Palazzo Ducale und das Reiterstandbild von Giuseppe Garibaldi im Blick, das direkt vor dem Theater mit seinen klassizistischen Säulen steht. Mit dem Aufenthalt am Theater waren wir auch schon in der Genueser „Neustadt“ angekommen, zu dem als markante Gebäude das Theater, die Piazza de Ferrari mit ihrn aufwendigen Brunnen und Prachtbauten sowie der Palazzo Ducale zählen. Hier ein paar Fotos:
Danach bewegten wir uns durch die Porta Soprana in Richtung der Casa di Colombo – das Haus, in dem angeblich Cristoph Columbus aufgewachsen ist. Ummittelbar davor sind Überreste des Kreuzgangs des ehemaligen Klosters Sant’Andrea, der sehr fotogen ist.
Unser letztes Ziel war die Chiesa Santa Maria di Castello, wo wir noch in den Genuss einer unentgeltlichen Führung durch eine sehr engagierte Dame kamen, die sich redlich bemühte, uns „Americani“ auf Englisch die künstlerischen und kunsthistorischen Besonderheiten der Kirche und des angegliederten Museums nahezubringen. Es ist wirklich toll, was es dort alles zu sehen gibt.
Allerdings ist man ein bisschen irritiert, weil es einen totalen Kontrast gibt, den wir leider nicht fotografisch festhalten konnten. Weil die Kirche und das Kloster früher auf einem der höchsten Punkte Genaus lagen, hatte man vom Kloster aus freien Blick aufs Meer. Jetzt sind zwar Häuser davorgebaut, an manchen Stellen aber gibt es noch „Durchsicht“, und man schaut aus einem romanischen Fenster auf ein Schiff der Fährlinie „Corsica ferries“, das gerade vor Anker liegt. Das mutet schon ein wenig strange an.
Zum Schluss landeten wir an der zentralen Piazza des Porto Antico, an dem unheimlich viel Menschen unterwegs waren. Wie ich mittlerweile erfahren habe, waren im Acquario, einem der größten Aquarien Europas, das ebenfalls zum gesamten Komplex des Porto Antico zählt, am Ostermontag 26.000 Menschen. Eine vergleichsweise kurze Schlange haben wir davor gesehen – so gegen 16:30 Uhr.
So richtig Lust hatten wir auf den ganzen Menschenauflauf dort dann nicht mehr. Ein paar schnelle Fotos war es uns dann schon noch wert, vor allem vom „Bigo“, der Konstruktion, in der eine Gondel integriert ist, von der aus man einen Blick über Genua hat, der Biosphäre, einer Glaskugel oder Glaskuppel, in der exotische Pflanzen gedeihen und dem gigantischen Schiff „Neptune“, das als „Requisite“ für Roman Polanskis Film „Piraten“ diente.
Weil wir zu einer „Unzeit“, was Essengehen in Italien anbelangt, mit unserer Runde zu Ende waren, beschlossen wir, früher als geplant nach Moneglia zurückzufahren und dort zu essen. Also ging es flugs zurück zum Bahnhof und ab in den Regionalzug nach Sestri Levante und dann nach Moneglia. Dort genossen wir noch ein leckeres Abendessen mit Fisch und Muscheln.
Alles in allem fand ich Genua sehr interessant, aber ich glaube, dass Genua auch eine Stadt ist, die viel sozialen Sprengstoff birgt. Sie ist mulit-kulti und in sich widersprüchlich. Auf der einen Seite die vielen tollen Museen in den alten Palazzi und der touristisch „aufgemöbelte“ Porto Antico, buchstäblich auf der anderen Seite dieser Hafenmeile aber Geschäfte, die oftmals wie Höhlen wirken, in denen vermutlich zugewanderte Schwarzafrikaner und Asiaten jeglicher Herkunft mit billigen Importwaren oder kleinen Lebensmittelgeschäften ihr Auskommen suchen. Das hat auch etwas Beklemmendes, gehört aber vielleicht zu einer Stadt wie Genua.