L’Aquila, die geschundene Stadt – 03.04.2023

L’Aquila, die geschundene Stadt – 03.04.2023

Die Stadt L’Aquila, die am 6. April 2009 um 3.32 Uhr von einem schlimmen Erdbeben getroffen wurde, ist für eine Woche unser Urlaubsdomizil. Klingt merkwürdig und fühlt sich auch seltsam an. Seit Samstag sind wir hier. Unsere Ferienwohnung liegt in einem wunderschön restaurierten Palazzo der Altstadt, dem Palazzo Carli – Benedetti. Der Ursprungsbau ist aus dem 15. Jahrhundert. Über einen wunderschönen säulenbestandenen Innenhof mit Brunnen gelangt man in die hochmoderne Ferienwohnung mit alter Eingangstür, uralter, bemalter Holzkassettendecke und riesiger Terrasse. Die Ferienwohnung wird bei booking.com unter dem Namen „Sound of Silence“ angeboten, und es ist auch sehr ruhig.

Wie ein Erdbeben eine Stadt buchstäblich aus den Fugen geraten lässt, ist in L’Aquila zu sehen. Bei unserem heutigen Rundgang durch die Stadt zeigte sich ein ganz zerrissenes Bild. Vor dem Erdbeben war L’Aquila bestimmt die lebendige, architektonisch eindrucksvolle Metropole der Abruzzen mit unzähligen Palazzi, alten Kirchen und schönen Plätzen, wie es oft zu lesen ist. Auch jetzt ist viel Aktivität und Lärm in der Stadt – allerdings rührt sie hauptsächlich von Bohrern, Hämmern und Baumaschinen-Motoren her. Es riecht nach Zement, Baustaub liegt auf Fenstern und Straßen, allerorten Bauzäne, Baugerüste und massive Gerüste, die Gebäude stützen. Hinter verhüllten Fassaden, die gar nichts von ihrem Innenleben freigeben, wird gewerkelt. Teilweise ist eine Seite einer schmalen Altstadtgasse schon wieder wunderschön restauriert, auf der anderen hingegen noch nichts oder noch nicht viel geschehen. Die wenigsten Kirchen sind schon wieder hergerichtet, der Wiederaufbau der Häuser kommt einer Mammutaufgabe gleich. Oft wirkt es so, als wären selbst die neuen Gebäude nicht bewohnt, vielleicht noch nicht wieder bewohnt. An manchen steht aber tatsächlich „Vendesi“ (zu verkaufen).

Andererseits sind auf der Haupt-Einkaufsmeile, dem Corso Vittorio Emanuele, der aufgrund von Bauarbeiten selbst oft nur auf halber Breite begangen werden kann, schon wieder viele Geschäfte entstanden, auch mit hochwertigen Sortimenten. Es gibt zahlreiche Lokale, einige Cafés etc. Aber trotz allem hat es nicht wirklich den Charakter von Normalität. Das finde ich für die Einwohner schon bitter. Es hat wohl auch einige Jahre gedauert, bis der Wiederaufbau überhaupt in Gang kam. Ob Corona die Aktivitäten dann zusätzlich noch verlangsamt hat, keine Ahnung.

Gleichwohl finde ich es erstaunlich, wie viele junge Menschen es in L’Aquila gibt, wenn ich mir die Leute auf der Straße so ansehe. Sie wirken nicht gramgebeugt, eher so, als hätten sie akzeptiert, dass ihre (Alt-)Stadt halt erst wieder „auferstehen“ muss. Es ist L’Aquila wirklich zu wünschen, dass es seinen früheren Charme zurückgewinnt. Denn man braucht gar nicht so viel Fantasie, um sich das vorzustellen.

Wir haben unseren Stadtrundgang dazu genutzt, die Eindrücke von L’Aquila fotografisch festzuhalten. Hier unsere Eindrücke: